16. März 2024

Im Wald von Brunegg nach Baden

Zwischen Birmenstorf (AG) und der Baldegg


Die 17. Etappe meiner Durchquerung der Schweiz im Wald führte mich neulich durchs Aargauer Mittelland. Ich startete vom Fusse des Chestenbergs, stieg am Schloss Brunegg vorbei hinauf in den wunderbaren Wald, der den Chestenberg fast völlig bedeckt. Es erstaunt deshalb nicht wenig, dass der in Sachen Forstwirtschaft vorbildliche Kanton Aargau weite Teile des Forstes zum Naturwald-Reservat deklariert hat. Braune Wegweiser wiesen mich in Richtung «Bronzezeitliche Höhensiedlung». Doch leider wurde ich ihr nicht ansichtig, da ich – vom Ambiente bereits ziemlich geflasht auf dem Grat angekommen – offenbar eine entscheidende Abzweigung verpasst haben musste. Die Begehung des Gratweges war dank des leicht wabernden Nebels ein buchstäblicher Hochgenuss. Dies- und jenseits der Krete breitete sich eine neue Generation Bärlauch aus, deren Grün sich markant vom braunen Laub abhob. Die langsam durchdringenden Sonnenstrahlen tauchten den drei Kilometer langen Hügel in ein zauberhaftes Licht. Gleichzeitig gab mir der Chestenberg einen kleinen Vorgeschmack auf den Lägerngrat, den ich mir für die nächste Etappe vorgenommen habe.

Hoch über der Aare setzte ich meinen Waldgang an einer Geländekarte fort. Und einmal mehr ärgerte ich mich über jene rücksichtslosen Biker, die den mit einem Befahrungsverbot belegten Pfad arg malträtiert haben. Da wurden nicht nur Treppenstufen zu Kleinholz gemacht, sondern auch ausweichende Abschnitte gefahren, die zu Erosionen führen, wovon wir eh schon genug haben. Zum Glück begegnete mir an diesem Morgen kein Mensch der strampelnden Zunft, ich glaube, er oder sie wäre nicht ohne wohltemperierte Schimpftirade meiner Wenigkeit ins restliche Leben geschickt worden.

Umso schöner war es dann auf der Habsburg, wo sich ein Haufen Unterstüfeler in die mittelalterliche Zeit der Habsburger einweisen liessen. Als mich nach mehreren Stunden der Wald für kurze Zeit in bewohntes und industrialisiertes Gebiet ausspuckte, erlebte ich das in solchen Situationen immer aufs Neue wiederkehrende Phänomen, mich hier völlig deplatziert zu fühlen, und möglichst schnell wieder Wald zu gewinnen. Dieser folgte denn auch schon bald, schliesslich hatte ich die Route so geplant, dass möglichst wenig «offenes» Land zu durchmessen war.

Ein wenig entspannter ging ich dann die nächste waldfreie Zone an, denn es erwartete mich mit der Überquerung der Reuss ein weiterer Fluss von nationaler Bedeutung. Und weil ich mich auch ein wenig nach der wärmenden Sonne sehnte, hielt ich am Ufer Mittagsrast. Ehe es in den letzten langen Waldabschnitt ging, gelangte ich an der Kirche von Birmenstorf vorbei, wo eine kleine Tafel mit der Aufschrift «Freskenkapelle» meine Neugier weckte. Bei der Kapelle handelt es sich um den ehemaligen Chorteil der paritätischen Kirche. Das genaue Entstehungsjahr ist nicht bekannt, doch dürfte das Gebäude ungefähr im 13./14. Jahrhundert erbaut worden sein. Bis 1936 diente die Kirche sowohl den Reformierten als auch den Katholiken von Birmenstorf als Gotteshaus. In den Jahren 1935/36 erhielten die beiden Konfessionsgemeinden je eine eigene Pfarrkirche; die katholische wurde unmittelbar neben der heutigen Freskenkapelle und die reformierte auf dem Bollrain errichtet. Damit verlor die paritätische Kirche ihre Funktion, weshalb man das nicht mehr genutzte Gebäude abzureissen gedachte. Als das Kirchenschiff bereits in Schutt lag, wurden im Chor unter einer dicken Verputzschicht wertvolle Wandmalereien entdeckt. Die auf den Platz gerufenen Spezialisten bestätigten bald die Echtheit der Fresken und schätzten das Entstehungsjahr auf 1440. Aufgrund dieser unerwarteten Entdeckung blieb der Chor bestehen, wurde zu einer Kapelle umgebaut und die Fresken 1937 renoviert. Diesen kulturhistorischen Leckerbissen wollte ich mir selbstverständlich nicht entgehen lassen.

Die letzten zwei Stunden dieser gut 22 Kilometer langen Wanderung führten mich erneut durch vorfrühlingshaften Wald. Kurz vor Baden erblickte ich vom Waldrand aus zum ersten Mal die Lägern, die ich dann, als ich auf der hoch über Baden gelegenen Burgruine Stein stand, direkt vor der Nase hatte. Vorfreude auf den nächsten Abschnitt meiner Waldroute keimte auf. Allerdings muss dann die Bodenbeschaffenheit deutlich trockener sein, denn was mir heute die Pfade boten, war an gewissen Stellen grenzwertig. Dementsprechend gezeichnet zeigten sich auf der Heimfahrt im Zug Schuhe und Hosenbeine.

Eine Bildstrecke, die im Übrigen als weitere Liebeserklärung an den Aargau betrachtet werden darf, gibt es hier.

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