2. April 2019

2.4.2019

Den Huser von Ueli Zingg zu Ende gelesen und dabei einmal mehr die Unsinnigkeit von gendergerechtem Deutsch erfahren. Nein nein, keine Kritik an Zinggs sprachgewaltigem Text. Bewahre, bewahre! Ein Wort war es, das mich stutzen liess: Rennende. Ich benötigte drei Anläufe, um endlich rennende Menschen vor mir zu sehen und nicht das Ende eines Rennens. Rennende, ein Substantiv mit drei Geschlechtern! Dasselbe gilt übrigens auch für Lernende; selbstverständlich im Wissen, dass man Mann Mensch Frau Kind Hund und Katz nie ausgelernt haben. Lebensende = Lernende oder umgekehrt. Und erst recht lustig wird es, wenn sich der die das Ende vermehrt: Aus der Stimme einer Sängerin werden die Stimmen von Singenden, aus dem Lohn eines Mitarbeiters werden die Löhne von Mitarbeitenden oder noch schöner: Mitarbeitendenlöhne! Tenden, tenden, tenden. Tendenz zunehmend.

Nun aber zu Zinggs Roman. Huser möchte ganz anders sein, als er ist. Er verliert in seinen Wunschträumen den Boden der Realität unter den Füssen. Ihn fasziniert der junge Fäshion, der ihm in seiner anarchischen Buntheit als Ideal des ungebundenen, sich selbst verwirklichenden Menschen vorkommt.

Von seiner Frau wird Huser verlassen. Ihr dichtet er eine intelligente, lebenstüchtige Weltgewandtheit an, die er selbst gerne hätte. In seinem Freund K glaubt er einen Zeitgenossen zu finden, der die Problematik seines Daseins lebt, ohne andere damit zu behelligen, der sich im Hintergrund entfaltet, aber gerade deshalb einen positiven Einfluss auf andere ausübt.

Huser merkt nicht, dass sein eigenes Leben, umso leerer und banaler wird, je stärker er sich und seine Vorstellungen durch fremdes Gedankengut – Angelesenes und von anderen Menschen Erlebtes – bestimmen lässt. Er flüchtet vor der Auseinandersetzung mit sich selbst, vor dem Risiko jeder geistigen und gesellschaftlichen Anstrengung. Deshalb entzieht er sich der Selbsterkenntnis; er wehrt sich gegen alle Kriterien und Massstäbe, die ihn in seiner Trivialität entlarven könnten.

Die Geschichte spielt im Berner Milieu der 1980er-Jahre und dokumentiert am Beispiel des Protagonisten, die Befindlichkeiten vieler jungen Menschen von damals. Der real existierende Fäshion dient dem Autor als der prominentester Stellvertreter dieser bewegenden und bewegten Jahre einer unzufriedenen Jugendgeneration.

BE: Stadt Bern (Hauptschauplatz), Beatenbucht am Thunersee GE: Stadt Genf USA: New York

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