30. April 2017

Winterfrühling

Winter küsst den Frühling. Oben die Kirche von St. Silvester (Santufaschtis)
Einsame Busfahrt vom Bahnhof Freiburg an die Peripherie des Sensebezirks. Plasselb der Ausgangs- und gleichzeitige Netzwerkpunkt. Hier war ich das bislang erste und letzte Mal am 2. Januar 1998. Zu Viert folgten wir, mit Schneeschuhen bestückt, der Sprachgrenze zum Schwarzsee. Der Unterschied von heute zu damals: An diesem 29. April 2017 liegen fünf Zentimeter Neuschnee. Vor 19 Jahren, da war Plasselb komplett aper. Schnee gab es erst ab 1200 Metern.

Stahlblauer Himmel, schwache Bise. Ich ziehe Richtung Kantonsmetropole. Blendendes Weiss. Verdutzte Schafe suchen ihr Gras. An den Strassenrändern Schneehäufchen. Bin froh, der Hauptstrasse zu entkommen. Die Freiburger fahren wie die Henker. Blühende Kirschbäume auf verschneiten Matten. Ob da noch was fruchtet? Im Waldschatten liegt die Masse höher. Schneestapfen auf 850 Meter über Meer. Übermorgen ist der erste Mai.

Schlagartiger Landschaftswechsel eine halbe Stunde vor Giffers. Der Weg quert den Steilwald hoch über dem Auenfluss. Das Rauschen der Ärgera. Wohltuend. Zahlreiche Stege überqueren Gräben und Sumpfgebiete. Holzgeländer geben Sicherheit. Zum Abschluss überhängende Sandsteinflühe mit Maria-Grotte, Holzbänken und Lob und Dank, weil Maria half. Bombastisches Gelände, religiös zurechtgestutzt. In Giffers beeindruckt das stilvoll renovierte Gebäude neben der Kirche: die Gemeindeverwaltung.

Die Landschaft senkt sich ab und damit die Schneehöhe. Bald schon liegen nur noch Fetzen im grasgrünen Gras. Ich überquere die Ärgera. Ein Mäandergewirr um Kiesbänke und Ränke. Im Hintergrund der tief verschneite Gipfel des Cousimbert. Wenig später, Überquerung des Nesslerabachs und somit der Sprachgrenze. Der erste Hof im Welschen kündet von der Verschmelzung deutsch-französischer Zungen: La Rotzetta. Rotzetter, ein typisch freiburgisches Geschlecht.

Weiter über weite Felder, zum Teil begrenzt mit imposanten Baumreihen und Hecken. Am Horizont die Gipfel der Berner Voralpen: Gantrisch, Bürglen, Ochsen, Grenchengalm. Weiss, weiss, weiss. Kaum ein Felsen schaut hervor. Ein Bild wie aus dem tiefsten Alaska. Ich gelange nach Ferpicloz, einem kleinen Dorf, das seine Autonomie bewahrt hat, ebenso wie die Gemeinde Villarsel-sur-Marly. 86 Einwohner zählte sie am 31.12.2015. Der Ort nannte sich einst auch Willischert. Und, man glaubt es kaum, die Gemeinde hat sogar eine eigene Website.

Über das Dorf Ependes, in dessen Zentrum ein prächtiges Schloss steht, geht die Wanderung hinunter nach Marly und somit zurück an die Ärgera, die sie hier La Gérine heissen. In Mertenlach, so die alte deutsche Bezeichnung für Marly, ist der Teufel los. Kein Fest, bloss auf den Strassen. Wie gesagt, sie fahren wie die Henker, diese Freiburger.

25. April 2017

Einem nächtlichen Urinstinkt auf der Spur

Markus Kellenberger: Draussen schlafen, 152 Seiten
AT-Verlag, Aarau/München, 2017
Rechtzeitig zur Freiluftsaison bringt der AT-Verlag ein Buch auf den Markt, dass sich dem Draussen-Übernachten widmet. Der Autor Markus Kellenberger, ein weltweit erfahrener Mann in Sachen wildes Campen, erläutert im informativen Plauderton, worauf es beim Schlafen unter freiem Himmel ankommt. In erster Linie nimmt er dem modernen Menschen die Angst vor der Nacht in der Natur, räumt auf mit Ammenmärchen und macht dem Leser dieses «Mikroabenteuer», wie er es nennt, so richtig schmackhaft.  Obschon die Gefahren gering sind, weist der Autor dennoch und eingehend auf mögliche Sicherheitspunkte hin, die es zu berücksichtigen gilt: Zecken, Hochwasser, Stein- und Blitzschlag, um die wichtigsten zu nennen.

Das Buch erklärt indes auch, worauf es aus gesetzlicher Hinsicht zu achten gilt. Hierbei wird einem bewusst, dass in der Schweiz erstaunlich viel Spielraum besteht, was das wilde Campen anbelangt. Ganz im Gegensatz zu beliebten und geeigneten Ferienregionen in Südeuropa, wo zum Teil restriktive Gesetze gelten.

Selbstverständlich spielt die richtige Ausrüstung auch eine Rolle. Markus Kellenberger hat es verstanden, das für derartige Unterfangen benötigte Material auf ein Minimum zu reduzieren. Dabei geht es ihm weniger um Hightech, als um günstige und qualitativ dennoch brauchbare Ware. Frei nach dem Motto: «Keep it simple» (halte es einfach). Alles andere wäre dem menschlichen Urinstinkt des Draussen-Schlafens abträglich. Wer also einen Ratgeber über die ultimativen Schlafsack-, Liegematten- und Zeltmodelle sucht, wird beim vorliegenden Werk nicht fündig. Stattdessen erhält er Tipps, worauf beim Übernachtungsplatz zu achten ist, wie man mit einer Plane eine einfache Unterkunft baut, wie mit Feuerstellen umzugehen ist, und, ganz wichtig, was man darauf zubereiten kann.

Fazit: «Draussen schlafen» eignet sich bestens, sich selber oder seine Familie für das natürlichste aller Schlaferlebnisse zu motivieren und gleichzeitig der Natur in ein paar Nächten näher zu kommen.

17. April 2017

Ostermärchen

Schwermütig sitzt auf seinem Ei
Der deutsche Osterhase.
Er fühlt, der Winter ist vorbei,
Und schnuppert mit der Nase.
Er lässt vom lauen Morgenwind
Die langen Löffel schwenken,
Gedankenvoll, wie Deutsche sind,
Wenn sie an gar nichts denken.

Sobald die rechte Stunde schlägt,
Erscheint das Frühlingswunder,
Dem Hasen, der da Eier legt,
Ist’s nur ein Kinderplunder.
Er lümmelt drauf und sitzt und schwitzt,
Bis aus zerknickter Schale
Ein nackig Ungeheuer sitzt
Und piept und quiekt: «Bezahle!»

Erst glotzt er’s an, als wär’s ein Traum,
Dann schlägt er schnell im Grase
Dreimal den schönsten Purzelbaum:
«Mein Name, Herr, ist Hase!
Ich weiss von nichts. Ich habe zwar
Sie eben ausgebrütet;
Doch hat bis heut mir der Notar
Die Kosten nicht vergütet.»

«Drum, wenn ich höflich bitten darf,
Kein Wort von Alimenten!
Ein Hase, der da Junge warf,
Zählt nicht zu den Studenten.
Er kann zwar, wenn es gut ihm deucht,
Die Eier schwarz bemalen;
Doch sollen, was heraus da kreucht,
Die anderen bezahlen.»

Edgar Steiger, 1912

16. April 2017

Ostereier

Das Osterei ist ein Symbol:
Das Volk kann niemals sterben;
Doch kluge Köche können wohl
Die Schale anders färben.

Längst mischen sie ihr rouge et noir,
Doch weiss ein jeder Bayer:
Die harten Eier heissen «Oar»,
Die weichen nennt man Eier.

Wer dich in den April geschickt,
Verhau den Kerl nur feste!
Doch wisse: wer mit weichen spickt,
Bekleckert sich die Weste.

Beim Eierlegen gibt’s Geschrei,
Gegacker und Gebimmel.
Ein schwarzes Ei – ein faules Ei!
Es platzt und stinkt zum Himmel.

Drum, wenn du Eierkuchen bäckst,
Prüf’ erst das Ei im Glase!
Bevor du mit der Zunge schmeckst,
So rieche mit der Nase!

Und ist’s der Henne einerlei,
Ob Körner auf der Tenne,
Ob Häcksel, ei, so sei das Ei
Mal klüger als die Henne!

Edgar Steiger, 1911