13. Dezember 2025

Retro 2025 – 4


Am 19. April ging ich in vier Stunden von Aarwangen nach Langenthal. Sie führte mir einmal mehr die Schönheiten des Oberaargaus vor Augen, insbesondere die sehenswerten Wälder rund um Langenthal. Das noch junge Laub zeigte sich im knackig-frischen Frühlingsgrün. Eine Wohltat für jedes Auge!

Am Ortsrand von Langenthal gelangte ich zum «Musterplatz», einem Geviert mit in Reih und Glied ausgerichteten Bäumen. In der Schweiz gibt es unzählige Örtlichkeiten mit der Bezeichnung «Musterplatz». Sie dienten einst der Musterung von Männern für den Militärdienst, besser bekannt unter dem Begriff Rekrutierung oder Aushebung.

Als ich nach fast vier Stunden beim Licht-durchfluteten Platz ankam, stachen mir die rot angemalten Bänke ins Auge. Dem Fotografen dienten sie als willkommenes Sujet, dem Wanderer als nicht weniger willkommene Sitzgelegenheit, um vor dem langen Gang an den Langenthaler Bahnhof noch einmal einen kräftigen Schluck aus der Pulle zu nehmen.

10. Dezember 2025

Retro 2025 – 3

Frühling: Da sind der Gefühle und Eindrücke viele! Für mich unter anderem der unverwechselbare Ruf des Buchfinks, die verlockenden Temperaturen, das Gesumme von Bienen und eben ... und vor allem ... der unwiderstehliche Duft des Bärlauchs. Hinzu gesellt sich die schon fast subversive Frechheit, den Waldboden über und über mit wohltuendem Grün zu überziehen. Und wenn dieser Bärlauch einmal blüht! Forstlich-paradiesische Zustände sind das. Zumindest für mich.

So war es denn auch wieder einmal im März an und auf der Lägeren im Rahmen einer zweitägigen Wanderung von Baden auf den Hönggerberg im aargauisch-zürcherischen Grenzgürtel soweit. Bärlauch, Bärlauch, Bärlauch! Gibt es etwas Schöneres im Lenz, als sich zu Fuss durch die betörenden Felder zu bewegen? Ich meine nein. In diesem Sinne schlummert in mir, nebst der Vorfreude auf den nahenden Winter, bereits jene auf die übernächste Jahreszeit.

8. Dezember 2025

Retro 2025 – 2


Endlich war es im Februar soweit: Ich wanderte von Wolfenschiessen nach Stansstad. Vielleicht mag man nun denken, dass dies fürwahr kein besonders erwähnenswertes Ereignis darstellt. Weit gefehlt, weit gefehlt! Dieses «Endlich» bezieht sich auf einen kleinen Abschnitt dieser Wanderung: das Rotzloch! Es fehlte mir bislang in meinem Album fussgängerischer Taten.

Was in der Ära der Bildungsreisenden (18./19. Jh.) Bestandteil der damaligen «Grand Tour» war, ist längst zu einer etwas tristen Angelegenheit verkommen. Beim Rotzloch von heute handelt es sich einerseits um den Ausgang der kurzen, wenn auch spektakulären Rotzschlucht am Gestade des Alpnachersees, andererseits ist sowohl der Eingang als auch das Ende der Schlucht – eben das Rotzloch – derart industriell genutzt, dass von der einstigen Beschaulichkeit nicht mehr viel übrig geblieben ist. Immerhin ist der Schlucht ein gewisses Mass an Würde erhalten geblieben, was das Bild hoffentlich zu vermitteln mag.

Eine Frage, die sich beim «Rotzloch» indes unweigerlich stellt, ist jene nach der Bedeutung seines Namens. «Rotz» ist ja nicht gerade etwas, das man mit Angenehmem verbindet. Meine Recherchen haben ergeben, dass es sich beim Begriff jedoch um die ob- und nidwaldnerische Bezeichnung für «eine enge Öffnung in einem Felsband» handelt. Das Wort leitet sich angeblich vom romanischen «rokka» bzw. französischen «roche» (Fluh, Felsen) ab. Dieses entwickelte sich in der Gegend zu «rotschi» und später zu «rotsi». In den beiden Halbkantonen finden sich denn auch Namen wie «von Rotz», «Rotzmattli», «Rotzibüel» und eben … «Rotzloch».

5. Dezember 2025

Retro 2025 – 1


Im vergangenen Januar erledigte ich eine persönliche fussgängerische Restanz im Prättigau (GR). Hierbei ging ich von Pany via Lunden nach Grüsch. Und als wäre dieser phonetische Dreiklang nicht genug, kam ich auch durch das Örtchen Putz, dessen etymologische Herkunft ich an dieser Stelle gerne stehen lasse. Der Unterputzweg indes liess mir dann doch ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern. Dies zu Ehren aller Berufsleute, die mit Gebäudetechnik zu tun haben.

Allerdings kann ich an dieser Stelle verraten, dass in Putz leider kein Aufputzweg existiert.Fazit: Wer zu Fuss unterwegs ist, entdeckt an allen Ecken und Enden dieser Welt Grosses und Kleines, und sei es nur ein für Nicht-Prättigauer kurioser Strassenname.

3. Dezember 2025

Alljährlich im Frühjahr …

Simone Müller: «Alljährlich im Frühjahr
schwärmen unsere jungen Mädchen
nach England», Limmat, Zürich, 2017
In der Zwischenkriegszeit gingen sie zu Hunderten, in den späten Vierziger- und Fünfzigerjahren zu Tausenden. Sie hiessen Emma, Bertha oder Marie und kamen aus Wilderswil, Urnäsch oder Bellinzona. Sie arbeiteten als Hausangestellte, Kindermädchen oder Gesellschafterinnen in Liverpool oder London und auf Landgütern von Adligen.

Sie gingen, obwohl die Medien warnten: vor dem britischen Wetter, vor dem englischen Klassendünkel, vor unerwünschten Schwangerschaften. Ein Massenexodus von Frauen, wie er in der Schweizergeschichte wohl kein zweites Mal vorkam. Und wenn sie in England geblieben sind, dann fast immer deshalb, weil genau das passierte, wovor sie so eindringlich gewarnt worden sind: Sie verliebten sich, wurden schwanger, haben geheiratet.

Simone Müller erzählt elf beispielhafte Lebensgeschichten dieser Frauen, die heute fast ganz aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden sind. Und sie erzählt auch von einer der grössten Repatriierungsaktionen der Schweiz, als fast tausend Frauen zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zurückgeholt wurden.
(Klappentext)