9. März 2022

Die Spirale – Etappe 11

Utzigen – Belp Bützacker: die Route
Schon sind wiederum fast zwei Monate ins Land gezogen seit der letzten Etappe. Zwei Monate, die sowohl Freude als auch Leid gebracht haben. Mitte Februar hatte der Bundesrat die meisten der Pandemie-Massnahmen aufgehoben. Am Tag vor der heutigen Etappe hatte der Einmarsch Russischer Truppen in die Ukraine begonnen, begleitet von ersten Luftangriffen auf angeblich «militärische Einrichtungen». Doch erste Bilder zeigten leider auch komplett zerstörte Wohnhäuser.

Inzwischen sind zwei Wochen vergangen und die Russen sind weiter vorgerückt. Städte wie Kiew und Charkiw werden offenbar fast pausenlos bombardiert. Die UNO spricht inzwischen von 1½ Millionen Flüchtlingen, die seit Kriegsbeginn das Land verlassen haben. Es ist von Bildern die Rede, die man zuletzt während des 2. Weltkrieges gesehen hat. – Und ich sitze hier vor dem Bildschirm, ratlos, wütend und einmal mehr desillusioniert. Dabei möchte doch ich bloss über die 11. Etappe meiner Spiralwanderung rund um Bern berichten, die mich von Utzigen via Worb nach Belp Bützacker geführt hat.

Doch was nützt es, in der stillen Kammer Trübsal zu blasen und dabei womöglich depressiv zu werden? Nüchtern betrachtet: nichts! Ist nicht immer irgendwo auf diesem Planeten Krieg? Sterben nicht täglich Tausende Menschen einen sinnlosen Hungertod? Werden nicht laufend Millionen von Tonnen an CO₂ ausgestossen, als ob es weder Klimaschutzvereinbarungen noch Erderwärmung gäbe? – Alles Gründe genug, um sich die Kugel zu geben und abzudanken. Doch dies scheint mir nicht Sinn und Zweck meines Daseins zu sein, über das ich nie entschieden habe. Vielmehr ist es mein Wille zu leben, und von dieser Welt angetan zu sein, sei sie noch so verrückt und ungerecht.

In diesem Sinne machte ich mich also auf eine weitere Etappe dieser Spiralwanderung, nicht ohne das Gebaren von Russlands Herrschern zu verurteilen und in Gedanken beim ukrainischen Volk zu sein. – Im kompletten Gegensatz zur düsteren Zeit im Osten Europas erwartete mich an diesem 25. Februar 2022 ein absolut traumhaftes und in gewisser Weise trügerisches Wetter. Vom topografisch privilegiert gelegenen Utzigen zog ich in einer Art Panoramaroute mit schönen Ausblicken Richtung Alpen, dem Worblental und hinüber zum Bantiger nach Worb hinab.

Obschon Worb in den vergangenen Jahren eine Umfahrungsstrasse erhalten hat, war der Verkehr im Dorfzentrum an diesem Freitagmorgen unerträglich. Doch ehe ich nun zu einem Strassenverkehrslamento anstimme, verlasse ich den 11.500-Seelen-Ort und schreite durch das behäbige Umland mit seinen typischen Berner Bauernhofsiedlungen. – Die ländliche Ruhe dauerte freilich nicht lange, denn bei Worb SBB herrschte reger Lastwagenverkehr. Auf meiner zugegebenermassen etwas älteren Landeskarte sind keine der Industriegebäude eingezeichnet. Inzwischen haben sich hier etliche Betriebe angesiedelt, was entsprechenden Betrieb verursachte.

Die Wanderspirale in der Übersicht. Grün die bislang zurückgelegte Strecke.
Immerhin profitierte ich von einem glücklicherweise vorhandenen Trottoir, so dass ich unbeschadet nach und durch Beitenwil gelangte, um hernach rechts abbiegend in Richtung Rubigen zu verschwinden. Doch die erhoffte Ruhe wollte heute partout nicht eintreten, denn schon machte sich der Flughafen Belpmoos mit dem Dröhnen startender Düsenjets bemerkbar. In Rubigen angekommen schlängelte ich mich durch die westlich der Hauptstrasse gelegenen Wohnquartiere, indem ich mich an die braunen Wegweiser hielt, die zum Kulturlokal Mühle Hunziken führten, denn dort sollte ich gemäss meiner Planung vorbeikommen.

Die ehemalige Mühle präsentierte sich von aussen als ziemlich schmuddeliges Etwas. Dabei traten und treten auf der erstaunlich kleinen Konzertbühne im als Raritätenkabinett ausstaffierten Innenraum nicht irgendwelche Möchtegerns auf. Schade, achten die Verantwortlichen nicht mehr auf das Äussere des stattlichen Anwesens. Aber was soll's? Alles in allem passt diese Vernachlässigung zur stark befahrenen Strasse mitsamt Tankstelle und Supermarkt direkt an der Autobahnein- bzw. -ausfahrt.

Da spielte es auch keine Rolle mehr, dass ich mich auf dem Velostreifen gegen den anbrandenden Verkehr stemmte und strammen Schrittes Richtung Belp zog. Mit einiger Genugtuung nahm ich die blonde Mercedes-Lenkerin wahr, als sie mir den Vogel zeigte. In solchen Situationen frage ich mich jeweils, wo genau nun der Vogel sitzt ... Lassen wir's und beenden wir die Etappe kurz vor diesem Belp bei der Bushaltestelle Bützacker, wo ich unter der wärmenden Sonne genüsslich auf meinen Chauffeur wartete. Die optische Ausbeute dieser doch eher kurzen Etappe gibt es hier.

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