24. Januar 2021

Die Spirale – Etappe 2

Wer spiralwandert, lernt die vermeintlich bekannte Umgebung aus neuer Perspektive kennen. Dies fängt bereits bei der Anreise an. Mit der S-Bahn von Bern nach Bolligen, dann mit dem Bus nach Ostermundigen. Was banal klingt, ist in der Tat eine Entdeckungreise durch Berns Vorgärten. Hierbei werden Erinnerung an die erste Etappe wach, fährt doch der Bus an Orten vorbei, die vor drei Wochen per pedes im Rahmen dieses Projektes beschritten wurden.

Einmal dem Bus entkommen, die fussgängerische Freiheit mit frischer Luft und einer Aussicht auf ein semi-ästhetisches Ostermundigen im typischen Berner Agglomerationslook. Umso erfreulicher dann der Gang über eine Ebene zum stattlichen Schloss Wittikofen, das in kontrastierender Weise von markanten Hochhäusern dominiert wird. Es folgte Muri und damit die Botschaft der Slowakischen Republik, die sich, im Gegensatz zu anderen Botschaften in der Nähe, brutal bescheiden, ja schon fast vorstädtisch-slumesk gibt. Die Strecke hinab an die Aare war dann wiederum mit Einfamilienhäusern, Villen und Möchtegern-Villen bestückt, was eher nebensächlich war, denn im Brennpunkt stand die anstehende Bodenacherfähre, deren Bedeutung sich darin manifestiert, dass sie täglich verkehrt.

Route der Etappe 2 von Ostermundigen nach Stuckishaus
Einmal bei der Fähre angekommen, betätigte ich die Klingel.Ein maskierter Fährmann trat aus seinem Kabäuschen und meinte auf meine Bemerkung hin, dass gerade meine Jungfernfahrt mit seinem Boot bevorstehe, was ich denn bisher in meinem Leben gemacht habe ... ob ich im Gefängnis gewesen sei? – Schlagfertiger Junge, dache ich und stieg ein, gefolgt von Joshi, einem zufällig anwesenden Golden Retriever. Dieser gehörte zu einer portugiesischen Familie, die auf dem Schiff nicht wenig Mühe bekundete, dem lebhaften Gebahren des vierjährigen Rüden, Einhalt zu gebieten. Immerhin schaffte ich es, von Fährmann, Hund und Frauchen eine Foto zu schiessen, ehe Joshi wieder im Boot herumzutoben begann.

Zu schnell war die einminütige Überfahrt (Kosten: 2 Franken) vorüber. Nun wartete die Gurten-Ostwand, und, wie es sich für eine zünftige Ostwand im Wintermodus gehört, Schnee und Eis. Immerhin gesellte sich nun eine End-Januarsonne hinzu, so dass der Gurten-Flanke die Zähne gezogen wurden, und der Anstieg zum Komfort-Abenteuer mit formidablen Ausblick auf Wabern und angrenzendem Gebiet mutierte. In nicht weniger als 10 Minuten gelangte ich vom Wintergrün ins Winterweiss, was dieser Wanderung eindeutig etliche Qualitätspunkte zutrug.

Bisher zurückgelegte Strecke (Etappen 1+2) der Spiralwanderung von Bern nach Burgistein.

Auf den geografischen Höhepunkt folgte eine sanfter Abstieg durch den sogenannten Spiegel hinab ins Liebefeld. Weshalb sich diese einstmals lieblich-grüne Wiese heute immer noch so nennt, erschliesst sich mir zwar nicht, Hauptsache, mein Vorhaben kam vorwärts. Und ehe ich mich versah, stand ich auf der Fussgängerbrücke über die 87-spurige Autobahn am Rande des Bremgartenwaldes, den die Berner vermutlich aus Bequemlichkeitsgründen kurz und knapp «Bremer» nennen. Am Ende der Durchquerung dieses von Joggerinnen und Hundehaltern bevölkerten Landstrichs wartete die Halenbrücke und somit die zweite Überquerung der Aare auf Etappe zwei meines Spiralwanderprojektes. Die ästhetisch ansprechedne Betonbrücke, an der sogar ein gewisser Benito Mussolini als Gastarbeiter mitgewirkt haben soll und die am 13. September 1913 eingeweiht wurde, bildete ein würdiger Abschluss dieser 18,5 km langen Route, die vom Osten über den Süden, Westen und Nordwesten der Stadt Bern führte.

Goldie Joshi auf der Bodenacher Fähre zwischen Muri und Wabern.


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