9. Februar 2021

Die Spirale – Etappe 3

Fahrt mit dem Bus nach Stuckishaus ans Ende der 2. Etappe. Vor ein paar Tagen gab es im Raum Bern ein Erdbeben. Das Epizentrum lag bei Bremgarten. Und Stuckishaus ist ein Teil Bremgartens. Als ich die Nachricht des Bebens vernahm, sah ich die 3. Spiralwanderetappe in Gefahr, wollte ich doch nicht als Katastrophentourist vor Ort auftauchen. Doch die Schweizerische Erdbebenzentrale gab Entwarnung, denn bei einer Stärke von 2.8, so wie das in Bremgarten der Fall war, sei nicht mit Schäden zu rechnen. Erleichterung keimte auf.

Auf das Erdbeben folgte eine Staubplage aus der Sahara. Für diesen Samstag, den 6. Februar 2021 war zwar Sonne prognostiziert, aber eben auch Wüstenstaub, der dann den Himmel über Bern den ganzen Tag mit einer Sepiatönung überzog. Ich fühlte mich ins Zeitalter der schwarzweissen Stummfilme zurückversetzt. Die sonderbare Bewölkung führte dazu, dass es auch am Mittag so düster war wie um 8 Uhr morgens.

Die Route bot ein Wechselbad der Gefühle. Da war zuerst der naturgeschützte Bremgartenhoger an dessen Fuss bunkerartige Reiheneinfamilienhäuser aus Beton im Flachdachmodus standen. Herbe Romantik dann am Aareufer mit bemoosten Bäumen und einer in angenehmem Tempo vorbeiflanierenden Aare, in deren Nähe das wuchtig anmutende Schloss Reichenbach thront. Ein kurzer Anstieg führte auf die Hochebene von Worblaufen, einem von Strassenbähnchen und Autos umtosten Vorort, gefolgt von der Rütti, dem Sitz des Inforamas, will heissen, landwirtschaftlichen Schule.

Route der Etappe 3 von Stuckishaus nach Gümligen Hofgut
Auf offenes Land folgten die brachialen Wohnklötze des Ittiger Kappelisackers, die sich gekonnt an den Fuss des kegelförmigen Mannenbergs schmiegen. Berner Agglo in seiner ungnädigsten Form, bei Schönwetter immerhin mit Blick auf die Stadt oder die Alpen, je nach Ausrichtung des Balkons halt. Auf den wohltuenden Wald des Mannenbergs Ittigens Nachbargemeinde Bolligen. Ein Mehr- und Einfamilienhauschaos in bester Wohnlage, ausgestorben wirkend und dementsprechend leblos.

Nicht so das ländlich-innovative Flugbrunnen mit der vermutlich schweizweit höchsten Dichte an Hofläden. Ein wahres Eldorado für Audi-, BMW-, Mercedes- und SUV-Fahrer, wenn es um den Einkauf direkt ab Hof geht. Der Name des Weilers hat übrigens nichts mit fliegenden Brunnen zu tun, er leitet sich vielmehr von der über der Örtlichkeit gelegenen Fluh des Stockerenbergs ab. Korrekt wäre also Fluhbrunnen, doch Flugbrunnen klingt natürlich um einiges krasser, wenn nicht gar cooler.

Nach der Flugbrunnener Einkaufsmeile ging es hinab nach Deisswil mit seiner immer noch im Umbau begriffenen, ehemaligen Kartonfabrik, deren Areal sich etwas fantasielos «Bernapark» nennt. Beim Fotografieren einer sichtbar von Kindern bemalten Wand, haut mich ein Mann an. Stolz outet er sich als «ich bin der Verantwortliche für den Bernapark». Hoppla, denke ich, eine wichtige Person, so ein Zufall. Seine Kernkompetenz scheint im Anbringen von Graffitischutz zu liegen. Offenbar ist auch der zig-millionen-schwere «Bernapark» vor Schmierfinken nicht gefeit. Immerhin erfahre ich, dass dieser sauteure Grafitischutz nur gerade fünf Jahre hält, ehe er für viel Geld erneuert werden muss.

Bisher zurückgelegte Strecke in Grün (Etappen 1–3) der Spiralwanderung von Bern nach Burgistein.
Nichts wie weg von hier, durch den Brachialverkehr im Worblental an den Einstieg der Dentenberg-Nordwand. Schon die ersten Höhenmeter auf dem bewaldeten Hohlweg bringen mich aus der Lärmzone in den Mikrokosmos dieses Hügels zwischen Worble und Aare. Utzlenberg der erste Bauernhofweiler. Dann ein Märchenwald mit bemoostem Boden und schliesslich der weltberühmte Gümligenberg, auf den die Ramseiers seit Urzeiten grasen gehen.

Zum Grasen war es jahreszeitbedingt zu früh, aber immerhin bot der viel besungene Hoger eine formidable Aussicht auf das ebenso oft besungene «Bälpmoos, Bälpmoos», den dahinter aufragenden Belpberg und die darüber schemenhaft im nordafrikanischen Sanddunst aufragenden Steilflanken des Gantrischs. Die letzten Abstiegsmeter nach Gümligen überraschten mit dem Schloss Hofgut, bei dessen Ansicht man sich in einer anderen Zeit, ja einer anderen Welt wähnt, ehe man, wenige Meter später an der legendären Linie des «Blauen Bähnli» mit einem Haltestellen-Ambiente in steriler Grau-in-Grau-Architektur zurück in die Zukunft katapultiert wird.

Wem das nun zuviel Kopfkino war, der beruhige sich mit ein paar optischen Eindrücken dieser denkwürdigen 3. Etappe meiner Spiralwanderung vom Berner Zytglogge nach Burgistein.

PS. Am Tag nach meiner Wanderung bebte die Erde erneut. Diesmal in der Nähe von Neuenburg, und zwar mit Stärke 2.9. Was ich damit sagen will: Der regelmässige Blick auf die Website des Schweizerischen Erdbebendienstes lohnt sich. Vom 1.1. bis 8.2.2021 registrierte der Dienst insgesamt 123 Erdbeben. Im Jahr 2020 waren es in der Schweiz 1400 Erdbeben! Doch keine Angst, wirklich gravierende Erschütterungen treten in unserem Land relativ selten auf. Was mir auf der Website des Erdbebendienstes besonders gut gefällt ist der sogenannte «Erdbebenzähler». Als ich das Wort zum ersten Mal sah, las ich prompt «Erdbeerenzähler». Auch nicht schlecht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen